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Ein Instrumentenkasten für fahrradfreundliche Kreuzungen

14 April 2022

Die Stadt Amsterdam will das Fahrradfahren fördern. Radfahrer sollen möglichst einfach und bequem von A nach B radeln können. Wichtige Faktoren sind in diesem Zusammenhang die Ampelschaltungen und die Gestaltung der Infrastruktur, noch mehr aber deren Zusammenspiel. Wie lässt sich der Verkehrsfluss für Radfahrer optimieren?

Noch vor zehn Jahren ging es bei der Entwicklung der Radinfrastruktur vor allem um die Faktoren Raum (Radwege) und Zeit (Wartezeit an Ampeln). Angesichts des wachsenden Aufkommens an Radfahrern reichen diese Stellschrauben jedoch nicht mehr aus. Engpässe im dichter werdenden Radverkehr lassen sich durch die bauliche Anpassung von Kreuzungsanlagen vermeiden. In den letzten Jahren gab es auch bei der Gestaltung von Straßenabschnitten neue Entwicklungen, darunter die Einrichtung von Fahrradstraßen, auf denen Autos nur zu Gast sind. In Amsterdam gilt ab 2023 auf den meisten Straßen Tempo 30. Enorme Verbesserungen wurden im Rahmen des KiM-Projekts für kleinere Infrastrukturmaßnahmen erzielt, das Bestandteil des »Mehrjahresplans Fahrrad« ist. Kees Vernooij und Sjoerd Linders sind beide in der Verkehrsplanung tätig, hier berichten sie von ihrer Arbeit.

 

Wie wichtig ist das Zusammenspiel zwischen kleinen Infrastrukturmaßnahmen und der Ampelschaltung?

Sehr wichtig. Eine Lösung, die Radfahrern mehr Raum verschafft, zum Beispiel die Verbreiterung des Radwegs, kann längere Wartezeiten an der Ampel zur Folge haben. Außerdem haben wir gesehen, dass eine Maßnahme zur Verkürzung der Wartezeit dazu führt, dass die Größe des Haltebereichs an Relevanz verliert. In vielen Fällen verstärken sich die Effekte baulicher Anpassungen und von Änderungen der Verkehrsregelung gegenseitig.

 

Bevor der Verkehrsfluss an einem bestimmten Ort verbessert werden kann, muss erst die Lage analysiert werden. Wie gehen Sie da vor?

Im Rahmen des letzten Mehrjahresplans Fahrrad wurden verschiedene stark frequentierte Kreuzungen mit Hilfe von Kamerabildern analysiert. Welche Wege nehmen Radfahrer beim Überqueren einer Kreuzung (Desire Lines), und wo sammeln sie sich? Die mit dieser Analyse gewonnenen Erkenntnisse erwiesen sich als sehr nützlich bei der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten. In einigen Fällen konnten Lösungen unmittelbar aus der Art und Weise der Raumnutzung abgeleitet werden. Die Analyse mittels Kamerabildern ist relativ aufwendig und kommt aktuell nicht überall zum Einsatz, auch wenn sie sehr lehrreich ist. Die Ergebnisse haben wir in einem »Instrumentenkasten für fahrradfreundliche Kreuzungen« (nur auf Niederländisch) zusammengefasst. Damit steht uns eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die auch bei anderen Kreuzungen eingesetzt werden können.

 

Im Rahmen des Projekts »Ping if you care« haben Radfahrer in Amsterdam Feedback gegeben, noch während sie unterwegs waren. Sind diese Informationen in die Analyse der Situation an Kreuzungen eingeflossen?

Die mit »Ping« gesammelten Informationen waren vor allem für die Anpassung von Verkehrsregelungen sehr nützlich. So konnten wir etwa sehen, an welchen Kreuzungen und zu welchen Tageszeiten Radfahrer meldeten, dass sie lange warten mussten. Die Verknüpfung dieser Informationen mit Daten von Ampelanlagen ermöglichte die Suche nach Lösungen. Und die Lösung war zum Teil ganz einfach. So musste manchmal bloß eine defekte Kontaktschleife repariert werden.

 

Die Stadt Amsterdam experimentiert viel mit Maßnahmen zur Verhaltensänderung, damit weniger Leute bei Rot über die Ampel fahren. Könnte man sagen, dass das beste Mittel dagegen eine »faire« und verständliche Ampelschaltung ist?

Eine nachvollziehbare Ampelschaltung ist ausgesprochen wichtig, aber nicht überall und jederzeit möglich. Manchmal sind Kreuzungen so gestaltet oder frequentiert, dass eine Ampelanlage nicht immer »verständlich« eingestellt werden kann. Derzeit suchen wir eine Antwort auf die Frage, ob sich die Nachvollziehbarkeit einer Ampelschaltung besser quantifizieren lässt. Je besser wir diesen Aspekt verstehen, desto mehr können wir ihn bei der Beurteilung baulicher Entwürfe berücksichtigen.

 

Ohne Autos bräuchten wir keine Ampeln. Kann man das so sagen?

Ampeln sollten nur dann eingerichtet werden, wenn es wirklich nötig ist. Die erste Ampel in Amsterdam, die 1932 auf dem Leidseplein installiert wurde, war vor allem für Fahrradfahrer gedacht. Autos gab es damals erst wenige, aber es fuhren Straßenbahnen, und die Verkehrsführung war unübersichtlich. Letztlich hängt alles von der Komplexität der jeweiligen Verkehrssituation ab. Allerdings könnte man ohne Autos tatsächlich auf viele Ampeln verzichten.

 

Könnten mit der Einführung von Tempo 30 längerfristig viele Ampelanlagen abgebaut werden?

Tempo 30 auf einer Zubringerstraße bedeutet nicht automatisch weniger Verkehr, deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass dadurch ein Großteil der Ampeln abgebaut werden könnte. Sobald weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind, können Ampelanlagen entfernt werden, wie beispielsweise 2016 auf dem Alexanderplein geschehen (siehe diesen Artikel).

 

Lassen sich allgemeine Grundsätze für einen besseren Radverkehrsfluss formulieren?

Ja, es gibt allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung der Kapazitäten und des Verkehrsflusses. In vielen Fällen bietet das Verhalten der Radfahrer Anknüpfungspunkte für Lösungen. Dieses Verhalten ist aber an jeder Kreuzung ein wenig anders. Deswegen brauchen es immer maßgeschneiderte Lösungen. Manchmal stellen wir aber auch fest, dass man für bestimmte Situationen auf Lösungen setzt, die keinen Sinn ergeben. Der oberste Grundsatz lautet also, dass man genau wissen muss, welches Problem man lösen will. Am besten lassen sich allgemeine Grundsätze anhand von Beispielen illustrieren:

 

Einige »Klassiker« aus den Jahren 2016 und 2017:

Dageraadsbrug: Besserer Radverkehrsfluss durch Neugestaltung der Wartezonen.

Mr. Visserplein: Innovative Wartezonen und höhere Anfahrkapazität.

Berlagebrug/Weesperzijde: Besonders große Wartezone.

Auf dieser Website finden Sie nähere Informationen und Videos zu den genannten Maßnahmen.

 

Kürzlich umgestaltete Kreuzungen:

Nassauplein: Für die vielen Radfahrer, die hier links abbiegen, wurden die zwei Ampeln zusammengeschaltet. Außerdem wurden die Flächen für den Radverkehr vergrößert und der Verkehrsfluss optimiert.

Prins Bernhardplein: Gezielte Maßnahmen zur Entzerrung der morgendlichen Verkehrsspitzen durch hohen Schülerandrang: größere Aufstellflächen, längere Grünphasen bei hohem Fahrradaufkommen.

Molukkenstraat/Ooster Ringdijk: Mehr Raum für Radfahrer, weniger Raum für Autos. In einer Studie zur Verkehrssicherheit wurde dies von Nutzern als positiv bewertet.

De Ruyterkade/Oostertoegang: Schaffung einer sehr breiten Radwegefurt für die stark frequentierte Radroute zwischen der Innenstadt und der Fähre.

 

Und ein schon recht alter Klassiker:

Weesperplein: Zwei Grünphasen je Zyklus für Radfahrer und Straßenbahnen auf der Sarphatistraat bei Überquerung der stark befahrenen Weesperstraat. Hier gilt der Grundsatz, dass Verbesserungsmaßnahmen für Straßenbahnen auch Radfahrern zugutekommen sollten.

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