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Richard Ter Avest demonstriert eine geschützte Kreuzung bei Velo-City in Leipzig
Knowledge

Velo-city: Wo die Welt lernt, wie man Straßen für alle baut

25 May 2023

Originalartikel aus STREETSBLOG, von Roger Rudick. Übersetzt von Dutch Cycling Embassy.

 

João Pedro Boechat, Direktor für Radverkehrsinfrastruktur der Stadt Niteroi in Brasilien, war nicht davon überzeugt, dass geschützte Kreuzungen nach Niederländischem Vorbild die sicherste Lösung für Radfahrer sind, da sich rechtsabbiegende Autofahrer und Radfahrer in einem 90-Grad-Winkel begegnen.

Aber genau aus diesem Grund treffen sich rund 1,500 Delegierte und Verkehrsexperten diese Woche in Leipzig, Deutschland, auf der Velo-City-Konferenz. Hier werden sie sich über die weltweit besten Praktiken zum Bau von Straßen informieren können, die nicht nur für Radfahrer, sondern für alle sicher sind. Richard Ter Avest, ein Niederländischer Berater, wies darauf hin, dass “75 Prozent der tödlichen Unfälle an Kreuzungen passieren”. Konventionelle, ungeschützte Kreuzungen sind deshalb für die Sicherheit von Radfahrenden einfach nicht geeignet. Geschützte Kreuzungen nach Niederländischem Vorbild, auch wenn sie auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen, sind eine geeignete Lösung.

Richard Ter Avest demonstriert eine geschützte Kreuzung bei Velo-City in Leipzig
Ein Radfahrer, der eine zu Demonstrationszwecken geschützte Kreuzung passiert.

Ter Avest sprach bei einer Präsentation vor dem Konferenzzentrum, bei der ein tragbares Modell einer geschützten Kreuzung zu sehen war (siehe oben). Skeptische Verkehrsbeamte aus Dänemark, Montreal und Brasilien sahen zu wie der Bau und seine Funktionsweise erklärt wurden.

Natürlich war die Konferenz viel umfassender als nur Diskussionen über die Feinheiten von Abbiegewinkeln und Kreuzungsdesigns. Experten aus der ganzen Welt sprachen über Maßnahmen auf Bundes- und lokaler Ebene, um das Radfahren in ihren Ländern und Städten zu einem sichereren und besser integrierten Teil des täglichen Lebens zu machen.
Gastredner Carlos Moreno, von der Universität Sorbonne-IAE Paris, der das Konzept der “Fünfzehn-Minuten-Stadt” entwickelt hat – die Idee, dass Städte so gebaut werden sollten, dass die Bewohner mit dem Fahrrad oder zu Fuß alle ihre täglichen Einkäufe und Lebensaktivitäten in nahe gelegenen Einrichtungen erledigen können. “Wir müssen die Städte umgestalten, ein qualitativ hochwertiges soziales Leben entwickeln, die Gentrifizierung stoppen und eine humanistische Lebensqualität schaffen”, sagte er bei der Eröffnungspräsentation am Dienstag vor einem vollen Saal. “Wir müssen eine neue Revolution entwickeln, die Revolution der Nähe”.

Haupthalle von Velo-City

Die einwöchige Konferenz umfasst rund sechzig Sitzungen zu verschiedenen Themen, die von der Förderung von Frauen im Radverkehr bis hin zu der Frage reichen, wie sichergestellt werden kann, dass auch Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen sicher mit dem Fahrrad unterwegs sein können. In der Sitzung “Women in Cycling”, die von Jill Warren vom Europäischen Radverband moderiert wurde, befassten sich die Teilnehmer mit wichtigen Fragen zu Vielfalt und Inklusivität, um die Bedürfnisse von Frauen und anderen Radgruppen besser zu verstehen. In “The rise of the cargobike: A Game-Changer for European Cities” (Der Aufstieg des Lastenfahrrads: Ein Paradigmenwechsel für Europäische Städte) beschrieben die Podiumsteilnehmer die verschiedenen Formen, die Fahrräder für den Transport von Waren, Paketen, und Familien annehmen können. Anna Holligan von der BBC und Ceri Woolsgrove von der European Cycling Federation sprachen darüber, wie modifizierte Lastenfahrräder zu allem Möglichen werden können, von rollenden Sendestudios bis zu Musikveranstaltungen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand jedoch die Frage, wie Lasten- oder Kastenfahrräder und motorisierte Lastenanhänger für die “Letzte Etappe einer Lieferung” ersetzen können.

Anna Holligan von der BBC mit ihrem rollenden Sendestudio in den Niederlanden, aus ihrem Twitter-Feed

Ein Vortrag am zweiten Konferenztag befasste sich mit der Frage, wie Radwege für sehbehinderte Menschen gestaltet werden können. Margot Daris von der Dutch Cycling Embassy zeigte visuelle Verzerrungen, um zu veranschaulichen, wie sehbehinderte Menschen die Welt erleben können. Eine bestimmte Krankheit führt dazu, dass Menschen in den oberen oder unteren Quadranten ihres Sehvermögens nicht klarsehen können – ein starkes Argument für die einheitliche Verwendung von Farben in Designs, da sie den Überblick über Radwege und Markierungen verlieren können, die von Block zu Block oder über Kreuzungen hinweg wechseln. “Verwenden Sie durchgehende Wege und klare Kontraste”, sagte Daris und zeigte ein Bild eines roten Radwegs in den Niederlanden, bei dem sich das Rot über die Straße fortsetzt, damit jeder weiß, wo er sein soll. Sie betonte auch, wie wichtig große Bushaltestelleninseln mit einer Rinne für den Radweg sind, damit sehbehinderte Busfahrer nicht auf dem Radweg stehen müssen, während sie auf ihren Bus warten.

Solche Überlegungen kosten nicht viel mehr Geld, erklärten die Diskussionsteilnehmer, aber eine gute Gestaltung für Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen sorgt auch für sicherere Straßen für alle, wie sich herausstellte.

Das Kongresszentrum in Leipzig (Deutschland)

Boechat, der Brasilianische Planer, erkannte die Vorteile der Niederländischen Kreuzung, als er sie in Betrieb sah. Ter Avest betonte die Bedeutung der Zementinsel, die die Autofahrer dazu zwingt, beim Abbiegen langsamer zu fahren, und außerdem die Sichtverhältnisse verbessert, sodass Auto- und Radfahrer sich gegenseitig gut sehen können und Zeit zum Reagieren haben.

Und genau darum geht es bei der Konferenz: den Menschen zu zeigen, wie einige Länder, die das Radfahren erfolgreich zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens gemacht haben, ihre beeindruckenden Verkehrsverlagerungen und Sicherheitsziele erreicht haben.

 

 

 

Anmerkung der Dutch Cycling Embassy, auch in Namen von Goudappel:

Mit Dank an den ADFC Bayern für die Entwicklung und Erlaubnis zur Verwendung ihres Konzepts und Lehrmaterialien.

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